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Beat Balzli: Treuhänder des Reichs

9. Land des Scheins

Teil 2: Der Diplomatenkoffer und "diplomatisches Gepäck" von schweizer Botschaftern -- Das Gepäck von internationalen Organisationen, z.B. IKRK - ein deutscher Spediteur Bernsen transportiert nicht nur Lebensmittel für griechische Kinder -- Oft keine Strafverfolgung wegen Import geraubter Gütern - reiche Schweizer in hohen Positionen werden prinzipiell nicht verfolgt -- Klassische Methode der Geldverschiebung mit Preismanipulationen oder mit Fake-Aufträgen

Präsentation von Michael Palomino (2013)


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aus: Peter Balzli: Treuhänder des Reichs. Eine Spurensuche. Werd-Verlag, Zürich 1997

* Die mit * gekennzeichneten Namen wurden aus Gründen des Personenschutzes vom Verfasser geändert (S.15)

[Der Diplomatenkoffer und "diplomatisches Gepäck" von schweizer Botschaftern]

[Schweizer "diplomatisches Gepäck" aus Berlin: Kunst- und Wertgegenstände und 250.000 Franken von Frau Schwegler-Torre von der italienischen Botschaft in Berlin in die Schweiz "verschoben" - das Geld im Diplomatenkoffer von Herrn Botschafter Frölicher]

Hans Frölicher, der schweizer Gesandte [Botschafter] in Berlin, stellte solche Dienstleistungen gerne zur Verfügung, wie der Fall Andreina Schwegler-Torre zeigt. Die ehemalige Angestellte der italienischen Botschaft und angebliche Freundin der Frau von SS-Chef Heinrich Himmler hatte im Herbst 1944 Kunst- und Wertgegenstände in grossem Stil von Berlin in die Schweiz verschoben. "Sie war bis jetzt nicht in der Lage, uns den Nachweis zu erbringen, dass diese Gegenstände ihr effektives Eigentum sind und woher sie stammten", schrieb die Verrechnungsstelle am 6. September 1945 an das EPD [schweizer Aussenministerium]. Man vermutete, dass es sich bei den kostbaren Objekten um jüdisches Eigentum handelte.

Bei ihren Untersuchungen stellte die Verrechnungsstelle fest, dass Schwegler-Torre noch anderes in die Schweiz geschafft hatte. Ein Teil der Kunstgegenstände lagerte bei der Zürcher Galerie Schmidlin, die während des Krieges im Geschäft mit gestohlenen Gemälden jüdischer Galeristen eine wichtige Rolle gespielt hatte. Die Beamten statteten der Galerie einen Besuch ab. "Die Besitzerin, Frau Schmidlin, erklärte unserem Revisor in Anwesenheit von zwei Polizeifunktionären des bestimmtesten, dass Frau Dr. Torre im Diplomatengepäck von Herrn Minister Frölicher ebenfalls eine Summe von ca. Fr. 250.000.- in bar in die Schweiz geschafft hätte, wobei ihr allerdings die Währung nicht bekannt sei", meldeten sie dem EPD. Der Minister wurde daraufhin am 19. September ins Büro von Robert Kohli von der Abteilung für Auswärtiges zitiert. In Anwesenheit von Frölicher führte Kohli dann ein Telefongespräch mit Max Schwab, dem Präsidenten der Verrechnungsstelle. Der Diplomat versuchte sich mit einem plötzlichen Gedächtnisschwund zu retten, doch seine protokollierten Aussagen kamen einem Geständnis gleich.

"Herr Min. Frölicher glaubt sich nun (...) zu erinnern, dass eine Frau (wohl Frau Schwegler) eines Tages bei ihm vorsprach. Es handelte sich um die Überweisung von Banknoten nach der Schweiz. Herr Dr. Frölicher weiss aber nicht mehr, ob Frau Schwegler gesagt hat, es sei ihr Geld oder ob sie es als Eigentum von Alfieri bezeichnete."

In der fraglichen Zeit hatte sich der italienische Botschafter Dino Odoardo Alfieri bei ihm erkundigt, wie schweizerische Noten in die Schweiz geschafft werden könnten. Laut Frölicher wäre es möglich gewesen, dass ein Umschlag zur Weiterleitung nach Bern übernommen (S.235)

wurde, "sei es, um Schweizergeld zu retten, sei es, um Alfieri einen Gefallen zu tun." Kohli versah den Bericht mit der Klammerbemerkung: (auch im Hinblick auf Informationen aus dem Führerhauptquartier, die ihm Alfieri hätte vermitteln können). Kohli machte Max Schwab klar, dass es sich "jedenfalls nicht um eine private Angelegenheit" von Frölicher gehandelt habe. Obwohl Alfieri Mitglied eines Achsenregimes war, empfand das EPD [schweizer Aussenministerium] die Fluchtgeldaktion offenbar als legitim: Das Verfahren gegen Andreina Schwegler-Torre verlief im Sand.

[Transaktionen von SS-Kadermann Helmuth Maurer, ein persönlicher Göring-Freund - Gründung des "Trust für Aussenhandel" in Liechtenstein]

Frölichers gesellschaftlicher Umgang in Berlin deutet darauf hin, dass der Transfer im Auftrag von Alfieri kein Einzelfall gewesen sein dürfte. Neben seinen engen Kontakten zum Anwalt der Gesandtschaft, Josef Steegmann, traf sich der schweizer Diplomat regelmässig auch mit anderen Leuten, die Ende des Krieges Vermögenswerte über die Grenze brachten. Ein Beispiel liefert der deutsche Geschäftsmann Helmuth Maurer. Der SS-Kadermann hatte 1944 in Liechtenstein den "Trust für Aussenhandel" gegründet. Im März 1945 wurde der Nachrichtendienst der Kantonspolizei Zürich auf Maurer aufmerksam. Das NSDAP-Mitglied hatte sich 1944 zweimal für einige Tage in der Schweiz aufgehalten. Die Zürcher erfuhren aus "sehr zuverlässiger Quelle", dass "die Geschäfte des Maurer immer in sehr hohe Beträge gehen und absolut seriös seien. Die Geldtransaktionen gehen über die Zürcher Kantonalbank und die Eidgenössische Bank. Dass er auf dem einen oder andern Institut oder auf beiden ein Deckkonto besitzt, konnte von hier aus nicht einwandfrei abgeklärt werden. Es wird aber dringend vermutet", heisst es im Bericht vom 13. März 1945. Die Kantonspolizei vermutete, dass es sich bei Maurers Millionen nicht um Parteivermögen handelt. Allerdings erfuhr sie aus ihren Quellen, dass er mit "Göring selbst eng befreundet und mit ihm per 'DU' verkehre". Zudem unterhalte Maurer "auch mit Herrn Minister Frölicher in Berlin gut freundschaftliche Beziehungen und pflege in dessen Privatwohnung zu verkehren."

[Schweizer "diplomatisches Gepäck" aus Ungarn: Ein verschwundener Erzherzog Albrecht - Schmuck für ein Darlehen - Kunstgegenstände]

Der schweizer Vertreter in Berlin war nicht der einzige Diplomat, der der selbsternannten Herrenrasse bei der vermögenstechnischen Vorsorge behilflich war.
[Es war doch noch viel schlimmer: Viele Schweizer fühlten sich ab 1933 als Mitglied der Herrenrasse, vor allem aber nach Hitlers Sieg gegen Frankreich von 1940. Und seit 1945 fühlen sich die Schweizer als die "Überlebenden" der "Herrenrasse", weil die Schweiz den Krieg nicht verloren hat, sondern mit dem System des Bankgeheimnis immer reicher wurde und reicher wird ohne Ende, während die Welt rundherum arm bleibt...].

In Ungarn dürften die Eidgenossen ebenfalls gute Dienste geleistet haben - zum Beispiel für den Nazikollaborateur Erzherzog Albrecht von Habsburg. Der Blaublüter hatte sich Ende des Krieges aus Ungarn abgesetzt und tauchte dann im Herbst 1946 endgültig unter. "Erzherzog Albrecht von Habsburg ist aus seiner Villa (S.236)

hart an der schweizer Grenze, samt seiner Geliebten, einer Ungarin, verschwunden. Auf die Nachricht hin, dass Ungarn seine Auslieferung als Kriegsverbrecher verlangt habe, soll er nach Südamerika verschwunden sein", meldete "Der Bund" am 18. September 1946. Bereits zuvor hatte die Verrechnungsstelle festgestellt, dass es Habsburg gelungen war, Schmuck im Wert von rund 70.000 Franken in die Schweiz zu schaffen. Die Objekte dienten zur Aufnahme eines Darlehens. Aufgrund eines Verhörs mit dem Bevollmächtigten des Erzherzogs, Alexander von Fayer, stellten die Beamten in ihrem Bericht vom 20. August 1946 fest:

"Der Schmuck wurde im Jahre 1944 versiegelt und verpackt Herrn Fritz von Fischer, Fürsprecher, Bubenbergplatz 8, Bern, übergeben. Herr von Fischer ist seit über 30 Jahren ein Freund des Erzherzogs Albrecht. Er war schon mit dessen Vater, dem Erzherzog Friedrich, befreundet. Wer den Schmuck [dem] Fürsprecher von Fischer gegeben habe, sei ihm nicht bekannt. Seiner Ansicht nach sei er sehr wahrscheinlich durch Herrn Jaeger von unserer Gesandtschaft in Budapest via diplomatischen Kurier in die Schweiz gelangt, wo er dann Herrn Fürsprecher  von Fischer ausgehändigt worden sei."

Von Fayer war es zudem gelungen, Kunstgegenstände des Erzherzogs im Wert von rund 300.000 Franken ins Zollfreilager Buchs zu schaffen. Die Luzerner Galerie Fischer sollte die Sachen versteigern.

[Das Gepäck von internationalen Organisationen, z.B. IKRK - ein deutscher Spediteur Bernsen transportiert nicht nur Lebensmittel für griechische Kinder]

[Die Filiale des IKRK in Triest unter der Leitung von Heinrich Bernsen - wird zum Sammelpunkt für Raubgüter]

Für diplomatisches Gepäck waren die Nazis nicht ausschliesslich auf die Mithilfe von schweizer Diplomaten angewiesen. Es ab noch andere Persönlichkeiten, die unbehelligt Waren über die Grenze schaffen konnten. So genossen Angehörige des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) denselben Status wie Angestellte der schweizer Gesandtschaften: Ihr Gepäck war für den Zoll tabu. Es erstaunt daher nicht, dass die Alliierten immer wieder Angehörige des IKRK verdächtigten, für die Nazis Fluchtgelder und Raubgüter über die Grenze zu schaffen. Die Meldungen ihrer Agenten waren allerdings vielfach widersprüchlich. So tauchten in den geheimen Berichten auch deutsche Persönlichkeiten als Mitglieder des IKRK auf, obwohl diese Institution damals prinzipiell nur Personen mit schweizer Staatsangehörigkeit beschäftigte.

Eine Erklärung für diese Unstimmigkeiten könnte sein, dass das IKRK für Transportaufgaben externe Unternehmer beauftragte. Einer dieser Spediteure soll die damalige Hamburger Firma Kühne & Nagel gewesen sein. Laut Informationen der schweizer Behörden wurde ihre (S.237)

Filiale im italienischen Triest während des Krieges vom Deutschen Heinrich Bernsen geleitet. Bernsen stand im Verdacht, im grossen Stil Raubgüter zu verschieben. Am 27. Februar 1945 übergab die Bundesanwaltschaft dem EPD [Eidgenössisches, Politisches Departement, schweizer Aussenministerium] einen Bericht des Sicherheitsdienstes des schweizer Armeekommandos, der von einem Informanten über die angeblichen Machenschaften des Deutschen aufgeklärt worden war.

"Es handle sich beim Vorgenannten um einen typischen Vertreter jener deutschen 'Haifische', die in der schamlosesten Weise im Auftrage der Regierung in Italien plünderten und daneben gründlich auch für die eigene Tasche sorgten", schrieben die militärischen Nachrichtendienstler.
[Triest in der Republik Saló - massenweise jüdische Güter konfisziert
"Italienische Regierung" hiess in diesem Fall die Regierung von Mussolinis Nord-Italien-Republik Saló, deren Industrien ihrerseits von den deutschen Nazis nach Deutschland verbracht worden waren, mit Transport durch die Schweiz. In dieser Republik Saló wurde noch ab Ende 1943 ein antisemitisches Regime gegen Juden aufgezogen wie in Österreich 1938, und es wurden massenweise jüdische Güter konfisziert und weiterverkauft...]
[Die Nachrichtendienstler schrieben weiter]:

"Bernsen halte sich in der Schweiz auf, um mit dem Roten Kreuz die Lebensmitteltransporte für griechische Kinder zu besprechen, die seiner Firma anvertraut würden. Er soll aber erklärt haben, dass der Hauptzweck seiner Reise darin bestehe zu versuchen, sein in Italien zusammengestohlenes Vermögen nach der Schweiz zu verschieben. Über die Kriegslage soll sich Bernsen in zynischster Weise geäussert haben und meinte aber, dass er nach Abzug aus Italien hoffe, für eine Weile noch in Ungarn oder Rumänien ein 'Tätigkeitsfeld' zu finden."

[Gerücht um Raubgut von Bernsen in einem Lagerhaus der Berner Firma Ritzmann]

Mit Bernsen hatten sich auch die Alliierten beschäftigt. Deren Propagandasender "Atlantik", der regelmässig angebliche Vermögensverschiebungen der Nazis in die Schweiz meldete, behauptete, dass der deutsche Transporteur im Lagerhaus der Berner Firma Adolf Ritzmann grosse Mengen an wertvollen Ölgemälden, Perserteppichen, Antiquitäten, Silber deponiert haben soll. Die Beute würde "hochstehenden Nazi-Parteimitgliedern" gehören. Laut Atlantik befand sich auf der Lagerliste unter anderem auch "der Name der Schwägerin von Hermann Göring, die, wie sich herausstellte, Herrn Bernsen alle gefälschten Papiere, darunter auch die Legitimation des Roten Kreuzes, verschafft hatte." In einem Verhör mit der Berner Kriminalpolizei im Herbst 1946 bestritt Adolf Ritzmann alles. Von einem Bernsen habe er nie zuvor gehört. Die Untersuchungen der schweizer Behörden verliefen nicht nur im Fall Bernsen im Sand.


[Oft keine Strafverfolgung wegen Import geraubter Gütern - reiche Schweizer in hohen Positionen werden prinzipiell nicht verfolgt]

[Der Fall von Robert Blass, Chef des Schweizerischen Anwaltsverbands: Verwaltung grosser deutscher Holdings - keine Untersuchung trotz Verdachts der englischen Alliierten]

Zahlreiche Dossiers wurden ohne Ergebnis geschlossen. Wie schon im Fall der Schmucklieferungen aus den Konzentrationslagern blieben viele Drahtzieher [SS und Strohmänner der SS] bis heute unbehelligt. Dass durch die eidgenössischen Beamten nach dem Krieg vermutlich nur die Spitze des Eisberges aufgedeckt wurde, hatte aber gute Gründe. Die Schweizer handelten weniger aus eigener Überzeugung als vielmehr (S.238)

auf Druck der Alliierten. Der Wille zur Aufdeckung war nicht allzu gross. Vor allem der schweizer Prominenz wollten die Beamten wenn möglich nicht zu nahe treten, wie das Beispiel des Zürcher Anwaltes Robert Blass beweist.

Die britische Gesandtschaft meldete dem EPD [schweizer Aussenministerium] Ende August 1945, dass die beiden Anwälte Dr. Robert Blass und Wilhelm Frick grosse deutsche Holdings verwalteten. Die Engländer verlangten nähere Informationen darüber Sie wollten insbesondere wissen, ob diese deutschen Vermögen bei der Verrechnungsstelle vorschriftsmässig angemeldet worden waren. Bei Blass bekamen die Schweizer jedoch kalte Füsse. Der Präsident des Schweizerischen Anwaltsverbandes war ihnen eine Nummer zu gross. Am 12. September 1945 wurde den Briten mitgeteilt, dass die gegebenen Informationen zu allgemein seien, um eine Untersuchung einzuleiten, "vor allem, wenn es sich um eine Persönlichkeit wie Robert Blass handelt".

[Gründe gegen Untersuchungen: Fehlende Motivation, Obrigkeitsgläubigkeit, fehlende Information, weit angelegte deutsche NS-Netze]

Der Fall Blass zeigt neben der fehlenden Motivation und der Obrigkeitsgläubigkeit der Behördenvertreter noch einen weiteren Grund, warum nach dem Krieg nur ein Bruchteil der Nazi-Machenschaften ans Tageslicht kam. Die Hinweise der Alliierten waren gelegentlich nicht sehr genau. Während der Anwalt Wilhelm Frick tatsächlich in deutschen Finanzkreisen verkehrte, so bestanden bei Blass doch zumindest begründete Zweifel.

Ein Indiz dafür lieferte der Prozess gegen den schweizer Gestapo-Agenten Paul Neidhart. Der Basler Anwalt war in seiner Spionagekarriere auch einmal auf Blass angesetzt worden. In der Untersuchung der Basler Strafbehörden stellte sich dann heraus, dass die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Verbandspräsidenten, die während des Krieges eher auf die Seite der Alliierten tendierte, die Motivation zu diesem Auftrag gab.

Begrenzte Motivation und mangelhafte Informationsversorgung der Schweizerischen Verrechnungsstelle waren jedoch bei weitem nicht in allen Fällen für die bescheidenen Ergebnisse in der Nazigeldfahndung verantwortlich. Ein Grund ist auch in der Tatsache zu suchen, dass die deutschen Netze äusserst durchdacht und weitverzweigt angelegt waren. Selbst wenn die Verrechnungsstelle - wie im Fall des Banco Alemán Transatlántico - grossangelegten Transaktionen auf die Spur kam, sonnte sie praktisch nie die gesamte Konstruktion offenlegen. Die Nazis waren auch selten so naiv wie Botschafter von Papen, denn sie (S.239)

deponierten ihre Millionen nur selten unter eigenem Namen. Vielmehr gingen die Profischieber nach Methoden vor, die das organisierte Verbrechen auch heute anwendet.

[Falsche Namen, schweizer Strohmänner aus der Oberschicht - lange "Zusammenarbeit" zwischen der Schweiz und Deutschland samt Arisierungen]

Neben den bereits erwähnten Tarngesellschaften brauchte es dafür einflussreiche Strohmänner sowie die Mithilfe der Spitzen grosser schweizer Konzerne und Banken [und der rechtsextremen SVP-Mitglieder bei der schweizer Fremdenpolizei, z.B. Rothmund in Bern].

Zu dieser Einsicht kam am 15. März 1946 auch Walter Sholes, der amerikanische Generalkonsul in Basel. Auf den 18. März war die Eröffnung der Verhandlungen zum Washingtoner Abkommen angesetzt. Neben der Regelung der Goldfrage sollte sich die Schweiz in diesem Vertrag rund zwei Monate später verpflichten, die deutschen Guthaben restlos zu erfassen und an die Alliierten auszuliefern. Im Gegenzug würde sie die Deblockierung der schweizerischen Guthaben in den USA erreichen - vorausgesetzt, die einzelnen Vermögen konnten tatsächlich als schweizerischer Besitz zertifiziert werden.

Sholes schickte an seine Vorgesetzten in Washington einen vierseitigen Bericht über "einige Aspekte" der blockierten schweizer Vermögen in den USA. Er lieferte eine Art Zusammenfassung seiner Gespräche mit Geschäftsleuten, die mit der Geschichte deutscher Kapitaltransfers vertraut waren. Sholes Informanten waren überzeugt, dass die Alliierten auf dem falschen Weg seien, wenn sie erwarteten, in den Safes grosse, auf deutsche Namen lautende Vermögen zu finden. Man habe es hier nicht mit plumpen Drahtziehern zu tun, sondern mit Deutschen, die in der Tarnung ihrer ausländischen Vermögen Experten seien. Sholes war derselben Meinung und lieferte gleich Anschauungsunterricht. So habe eine Untersuchung der Schweizerischen Verrechnungsstelle bei dreissig Schrankfächern der Basler Filiale der Schweizerischen Bankgesellschaft [heute UBS AG] keine erwähnenswerten Vermögen oder Wertschriften zum Vorschein gebracht. [Vielleicht haben die schweizer Bankiers den Inhalt vor der Aktion "gerettet"].

Aufgrund seiner Quellen war Sholes überzeugt, dass, falls Schweizer bei Finanzoperationen der Deutschen mitgeholfen hätten, es sich dabei um die Arbeit von Männern führender, schweizer Konzerne handle [Banken, Versicherungen, Ciba, La Roche, Nestlé, Bührle, ABB etc.], die in den letzten 25 oder mehr Jahren den Grossteil des deutsch-schweizerischen Handels [und die Arisierungen!!!] abgewickelt hätten und daher mit ihren deutschen Geschäftsfreunden enge Beziehungen pflegten. Sholes wusste daher, dass die Fluchtgelder weder im Namen der Deutschen noch im Namen ihrer schweizer Freunde deponiert waren. Vielmehr ging er von fiktiven Namen aus, vorausgesetzt, die Werte waren bei einer Bank gelagert. [Oft waren da gar keine Namen, sondern einfach Nummernkonten mit einem Code]. Bei den engen Beziehungen zu den (S.240)

Deutschen war es viel wahrscheinlicher, dass die Fluchtkapitalien bei den schweizer Freunden zu Hause im Safe oder bei deren Anwälten lagen.

Im Zusammenhang mit den schweizer Vermögen in den USA vermutete Sholes dieselben Tarnmethoden. Laut seinen Informationen soll die Basler Filiale der Fides Treuhand 1943 den Transfer dreier bedeutender Konten bei einer Bank in Chur an ein amerikanisches Finanzinstitut veranlasst haben. Die amerikanische Firma habe später entdeckt, dass die Vermögen auf Firmen lauteten, die gar nicht existierten. Die im Washingtoner Abkommen vereinbarten Zertifizierungen der Vermögen in den USA sollten einen Teil von Sholes Vermutungen bestätigen. Der Nachweis des schweizer Besitzes, den die Verrechnungsstelle absegnen musste, brachte in 42 Fällen krumme Geschäfte ans Tageslicht. Total 12 Millionen Franken lauteten auf schweizer Namen, gehörten aber in Wirklichkeit Deutschen. Angesichts der zu deblockierenden schweizer Privatvermögen in der Höhe von rund 4,5 Milliarden Franken nahm sich allerdings der Anteil der dubiosen Geschäfte bescheiden aus.


[Klassische Methode der Geldverschiebung mit Preismanipulationen oder mit Fake-Aufträgen]

Sholes lag auch mit seinen anderen Einschätzungen richtig. Deutsche Kapitalverschiebungen im grossen Stil brauchten die die Unterstützung grosser schweizer Unternehmen. So flossen Kapitalien in unbekannter Höhe in die Schweiz, indem die Deutschen für Scheinaufträge zahlten oder für schweizer Lieferungen künstlich überhöhte Preise, sogenannte Überfakturierungen, vereinbarten. Um die Transaktionen zu vertuschen, führten die Firmen zwei verschiedene Buchhaltungen. Die damit am Clearing vorbeigeschobenen Gelder landeten in Tarngesellschaften oder bei Strohmännern. Ein Zeitzeuge erinnert sich:

"Ich hatte einen Bekannten, der war Werkmeister bei einem schweizer Industriekonzern. Im Jahr 1944 mussten sie einen völlig sinnlosen Grossauftrag ausführen. Unter strenger Kontrolle produzierten sie auf den hundertstel Millimeter genau nutzlose Teile, die angeblich für deutsche Flabgeschütze gebraucht wurden. Nach dem Krieg fand er die gesamte Produktion wieder. Sie war auf dem Schrottplatz der eigenen Unternehmung versteckt, alle Teile fein säuberlich in den Originalkisten verpackt. Da war schnell klar, welchen Zweck der sinnlose Auftrag wirklich gehabt hatte." (S.241)

[Eigentlich gehört alles Nazi-Fluchtkapital der deutschen Bevölkerung. Fluchtkapital aus besetzten Gebieten gehört der Bevölkerung der besetzten Gebiete. Aber auf die Idee, dass Argentinien und Chile Gelder zurückzahlen müssten, ist bis heute NIEMAND gekommen].

Quellen
Seite 235 - 236 - 237 - 238 - 239 - 240 - 241


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