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<Judentum: Dunkle Seite ausgeklammert>:

Schweizer Juden fürchteten sich vor neuem Proletariat

Abschrift von Michael Palomino (1999)

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12.12.1999: <Judentum: Dunkle Seite ausgeklammert> - schweizer Juden fürchteten sich vor neuem Proletariat

aus: Shraga Elam;  SonntagsZeitung  12.12.1999
http://www.sonntagszeitung.ch/1999/sz49/S6-5817.HTM

Der Artikel

<ZÜRICH - Aus Rücksicht auf jüdische Gefühle hat die Bergier-Kommission in ihrem Bericht die Auseinandersetzungen unter den Juden um den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) schöngeschrieben.

Die Historiker streifen die labile Haltung nur am Rand: Im Flüchtlingsbericht wird ein Protokollauszug vom August 1938 zitiert, in dem der jüdische Funktionär Silvain Guggenheim beim Fremdenpolizeichef Heinrich Rothmund für eine Einreisesperre gegenüber jüdischen Flüchtlingen plädierte. Kommentiert wird diese Passage dann folgendermassen:

«Die Protokolle der Sitzungen des Central-Comités des SIG zeigen jedoch, dass der SIG sich nie für die Sperrung der Einreise aussprach, sondern alle Möglichkeiten ausschöpfte, um (in) den jüdischen Gemeinden Geld zu sammeln.»

Die Protokolle des SIG sprechen allerdings eine andere Sprache. Aus der Sitzung vom 18. Dezember 1938 heisst es etwa: «Herr Sidney Dreifuss (der Vater der Bundesrätin) berichtet über die Verhältnisse im Kanton St. Gallen, wo die Polizei eher zu entgegenkommend war. So ist die Zahl der Flüchtlinge wieder erheblich gestiegen. Es kamen unerwünschte Elemente herein und alte Leute, deren Emigration fast unmöglich erscheint. Man ist in St. Gallen nicht der Meinung, dass die Grenze hermetisch zu schliessen sei, sondern möchte Verwandte, Kinder und um das Judentum verdiente Personen weiterhin aufnehmen. Die polizeiliche Sperre ist neuerdings verschärft worden.

Herr E. Hüttner warnt davor, die Forderung nach Schliessung der Grenze zu stellen. Dies muss den Behörden überlassen bleiben, die übrigens Massnahmen ergriffen haben. Mehr würde nicht erreicht, wenn man in Bern vorstellig würde, aber es würde die Verantwortlichkeit für die Versorgung der Flüchtlinge damit eingestanden, und anderseits würden wir einen Makel auf uns nehmen.

Der Präsident (Saly Mayer) macht darauf aufmerksam, dass gewisse Behörden immer wieder versuchen, ihren Entscheid über Einlass von Flüchtlingen davon abhängig zu machen, ob wir sie übernehmen. Sie spielen die Humanen und überlassen uns die Verantwortung. Dadurch entstehen unhaltbare Verhältnisse. Es erheben sich schwere Bedenken, ob die Mittel auch weiterhin aufgebracht werden können. Es erscheint unmöglich, die Hand dazu zu bieten, dass weiterhin ganze Gruppen illegaler Flüchtlinge in die Schweiz eingelassen werden. Es entstehen daraus Gefahren für die Gemeinden, den Gemeindebund und die jüdischen Institutionen. Die Flüchtlingsfrage drängt auch nachgerade alle übrigen jüdischen Fragen in den Hintergrund. (...)

(...) der Vorsitzende (stellt) das Einverständnis des Central-Comités (...) fest (...), dass von unserer Seite aus nichts geschehen darf, um noch mehr Unbemittelte einzulassen, sondern dass man sich auf Angehörige und verdiente Persönlichkeiten zu beschränken hat.» Und von der Sitzung vom 16. Februar 1939 wird protokolliert:

«Wir konnten die Behörden nicht daran hindern, Flüchtlinge einzulassen. Aber es sind dreimal so viele, als man anfänglich gerechnet hatte. Die Ausreisen sind ungenügend. (...) Nur wenn das Flüchtlingsproblem in Ordnung gelöst werden kann, ist der Bestand der Gemeinden und jüd. Institutionen in der Schweiz gesichert. Wenn die Liquidation nicht rasch genug und nicht umfassend erfolgen kann, bleibt ein neues jüdisches Proletariat zurück, das die künftige Entwicklung hemmen wird."

Shraga Elam>







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